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Cochlea-Implantate

Neue Hoffnung für Phuong

28. Oktober 2019
Die dreieinhalbjährige Phuong kam in Vietnam mit schwerem Hörverlust zur Welt. Ein Cochlea-Implantat schien für die Eltern unerreichbar. Doch das gemeinsame Programm der Global Foundation For Children With Hearing Loss und der Hear the World Foundation gab ihnen neue Hoffnung.
Bereits wenige Monate nach der Geburt von Phuong bekommt ihre Familie den Eindruck, dass etwas nicht stimmt. Wenn jemand ihren Namen ruft, blickt Phuong nicht auf. Selbst wenn im Freien der Monsunregen tobt und mit voller Wucht an die Fenster klatscht, zeigt das Baby keine Reaktion. Phuong ist ein Jahr alt, als ein Arzt in einem vietnamesischen Krankenhaus das bestätigt, was ihre Eltern bereits befürchtet haben: Das Kind leidet an schwerem Hörverlust.
 
Es ist bereits das zweite Mal, dass Phuongs Mutter, Mai, eine solche Diagnose mitgeteilt bekommt. Auch ihre ältere Tochter hat Hörprobleme und ist auf ein Hörgerät angewiesen. Die Anschaffung stellte die Familie vor eine finanzielle Belastungsprobe. Eine staatliche Krankenversicherung gibt es in Vietnam nicht. Nur mit Unterstützung von Freunden, Verwandten und Spenden liess sich das Gerät bezahlen. Dass nun auch Phuong Hilfe benötigen würde, löste bei ihrer Mutter Verzweiflung aus. "Ich war traurig und geschockt", erzählt sie.

Zweieinhalb Jahre sind inzwischen vergangen. Das Leben von Phuong und ihrer Familie hat seither eine positive Wendung genommen. Es ist früher Morgen in der südvietnamesischen Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt. Phuong schiebt einen bunten Spielzeugeinkaufswagen durch ein Wartezimmer. Sie hat einen wichtigen Termin: In einem Hörzentrum von Sonova wird eine Audiologin ein sogenanntes Cochlea-Implantat-System aktivieren, das Phuong vor wenigen Wochen bei einer Operation eingesetzt bekam und das künftig dafür sorgen soll, dass das Mädchen klar hören kann.

Die Technologie, mit der Elektroden Signale an den Hörnerv senden, schien für Phuongs Familie eigentlich unerreichbar. Phuongs Mutter arbeitet in einer Textilfabrik, ihr Vater ist Bauarbeiter. Beide sind Mitte 30, ihr monatliches Haushaltseinkommen ist durchschnittlich für Vietnamesische Verhältnisse und erlaubt ihnen keine grossen Sprünge. Ein CI-System hätte mindestens zweieinhalb Jahreseinkommen gekostet – für Phuongs Eltern unbezahlbar.
Stattdessen legte die Familie ihre Hoffnungen in eine Sonderschule für Kinder mit Hörverlust, die von katholischen Nonnen gegründet wurde. Phuongs Eltern kannten die Einrichtung, weil auch ihre älteste Tochter dort zur Schule geht. Die Schulleiterin, Schwester Thuy, hat die Schule gegründet, nachdem sie ein Ausbildungsprogramm der Global Foundation For Children With Hearing Loss besucht hat.
 
Schwester Thuy half, finanzielle Unterstützung für ein Hörgerät für Phuong zu organisieren. Gleichzeitig bekam Phuong an der Schule Sprachtherapie und machte hörbare Fortschritte. Sie lernte, viele Wörter deutlich auszusprechen. Doch fortschreitender Hörverlust machte ihr zunehmend zu schaffen. Das Hörgerät half ihr immer weniger und die Sorgen ihrer Mutter wurden immer grösser: "Ich habe mich gefragt, ob sie jemals selbstständig wird leben können und wer sich um sie kümmern wird, wenn wir zu alt dafür sind."

Phuongs Schulleiterin sah einen Ausweg: Sie erzählte der Familie von einem neuen Programm von der Hear the World Foundation in Zusammenarbeit mit der Global Foundation for Children with Hearing Loss, die an Kinder aus bedürftigen Familien CI-Systeme spendet und die Kosten für die Operation und die Nachbetreuung übernimmt. Phuongs Mutter schrieb einen Brief an die Organisatoren. Eine Antwort liess nicht lange auf sich warten. Sie war positiv. Die Mutter des Mädchens sagt aber: "Das war ein Geschenk Gottes."

Ärzte testeten Phuongs Gesundheit und gaben für die Operation grünes Licht. Drei Tage verbrachte das Mädchen im Krankenhaus. Sie verliess es mit kurzgeschorenen Haaren, einem Implantat unter der Schädeldecke und voller Hoffnung für den Tag bis zur Aktivierung des CI.

Am Tag der Aktivierung macht Phuong einen fröhlichen Eindruck. Sie saust durch das Hörzentrum, als wäre es ihr Kinderzimmer. Im Raum der Audiologin weckt eine Plastikente ihr Interesse. Sie spielt damit, während die Spezialistin mit einer Software überprüft, ob das CI-System ordnungsgemäss funktioniert. Anschliessend reicht ein simpler Mausklick, damit der Sprachprozessor seine Arbeit aufnimmt und über das Implantat die ersten Signale an Phuongs Gehirn geschickt werden. Auf ihre veränderte Wahrnehmung scheint das Mädchen nur mit einer kurzen Kopfbewegung zu reagieren. Noch ist das System leise eingestellt, damit sich Phuong daran gewöhnen kann. Die Audiologin spielt dem Mädchen aus verschiedenen Richtungen im Raum Geräusche vor. Phuong dreht sofort den Kopf, wenn es links von ihr rattert. Das System funktioniert, Phuong kann hören.
 
In den kommenden Wochen muss Phuong regelmässig ins Sonova Hörzentrum zur Nachjustierung. Als Belohnung für die überstandene Aktivierung bekommt sie von den Sonova-Mitarbeitern einen Plüschaffen geschenkt. Das Tier trägt am Kopf ein CI-System aus Stoff. Mit dem Affen im Arm läuft Phuong zu einer Fensterwand neben dem Aufzug und blickt vom zehnten Stock fasziniert auf die quirlige Großstadt. Phuong scheint es zu erahnen: Da unten wartet auf sie eine neue Welt.
 

weiterführende Links

Mehr über das CI Projekt in Vietnam erfahren

Blogpost: Wenn Hörgeräte nicht mehr helfen - ein Vater erzählt