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Eltern sind die beste Therapie

18. Oktober 2017
Von Louise Kaben, Program Manager Hear the World Foundation 

Als der kleine Alejandro das erste Mal die Stimme seiner Mutter hört, ist das ein Meilenstein im Leben des Vierjährigen: Er kann hören. Der Junge aus Panama hat einen schweren Hörverlust; über Hear the World erhielt er im Frühjahr 2017 ein Cochlea-Implantat. Moderne Technik verschafft ihm jetzt die körperlichen Voraussetzungen, um hören – und vor allem auch sprechen zu können. Was hörende Kinder in ihren ersten Lebensjahren ganz selbstverständlich lernen, muss Alejandro sich im Sprachtraining erarbeiten. Eine Studie hat nun bewiesen: Die wichtigste Sprachtherapie sind empathische Eltern.

Welche Auswirkung hat die Erziehung auf die Entwicklung von Kindern mit Cochlea-Implantaten? Dieser Frage ging die Kinderpsychologin Alexandra L. Quittner von der Universität Miami auf den Grund. Sie untersuchte 188 Kinder mit hochgradigem Hörverlust im Alter von fünf Monaten bis fünf Jahren. Sie fand heraus: Kinder mit Cochlea-Implantaten, die von ihren Müttern positiv und emotional unterstützt werden, entwickeln schneller Sprachfähigkeiten und erreichen oft das Sprachniveau von Kindern mit normalem Gehör. Die Studie belegt, was die Erfahrung in der Praxis oft zeigt: Das Einfühlungsvermögen der Eltern hat starke und nachhaltige Auswirkungen auf das mündliche Sprachenlernen. Je besser sich Eltern und Kinder – im Wortsinn – verstehen, umso schneller lernen die Kinder sprechen.
Der Grund: Eine bessere Beziehung zwischen Eltern und Kind hilft dem Kind, Autonomie und eine positive Einstellung zu entwickeln. Die größten Verbesserungen in der Sprachentwicklung wurden bei Kindern beobachtet, deren Eltern sehr einfühlsam auf sie eingehen. Taube Kinder mit empathischen Eltern hatten nur ein Jahr „Verspätung“ in der mündlichen Sprache im Vergleich zu 2,5 Jahren bei Kindern mit weniger einfühlsamen Eltern.

Beratung, wie Eltern ihre Kinder unterstützen können

Die Ergebnisse legen nahe, dass Elterntraining wichtig für Kinder mit Cochlea-Implantaten ist. Die Hear the World Foundation setzt in ihren Projekten bereits auf die starke Einbindung der Eltern. Sie werden zu einem wichtigen Element der Sprachtherapie, deshalb ist die Schulung und Unterstützung der Eltern Teil des Engagements von Hear the World. In entwickelten Ländern hilft betroffenen Eltern zusätzlich der Austausch untereinander, zum Beispiel in Selbsthilfegruppen. Doch in vielen Regionen gibt es solche Gruppen gar nicht - dann übernimmt Hear the World diese Rolle. Es werden spezielle Abendkurse für betroffene Eltern angeboten: Dort erfahren sie, wie das Gehör funktioniert, lernen richtig zuzuhören, üben die Rolle von Mimik, Körpersprache und Gesten. Darüber hinaus erhalten sie wertvolle Tipps, Tricks und Übungsmaterial, damit sie ihre Kinder spielerisch beim Sprachtraining zu Hause unterstützen können. 
Auch Alejandros Eltern haben die Schulungen besucht. Sie wissen: Neben dem Implantat und einem Sprachtraining dreimal die Woche ist ihre emotionale Unterstützung die wichtigste Voraussetzung, damit ihr Kind eines Tages richtig sprechen kann. Also trainieren sie jeden Tag mit ihm: spielerisch, einfühlsam und mit viel Humor, so dass Alejandro bald sprachlich fit genug ist, um eine normale Schule zu besuchen – der nächste große Meilenstein in seinem Leben. 

Weiterführende Informationen

Die Ergebnisse der Studie wurden im Journal of Pediatrics veröffentlicht. Die Studie umfasste 188 Kinder im Alter von 5 Monaten bis 5 Jahren mit schwerem bis tiefgreifendem Hörverlust.
Zur Studie
Lesen Sie hier die Geschichte von Alejandro
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