Singen für besseres Hören
23. Mai 2017
Je älter wir werden, desto schwieriger wird es, Gesprächen an lauten Orten mit vielen Menschen zu folgen. Was einmal ein netter, unterhaltsamer Abend in einer Bar oder einem Restaurant war, entwickelt sich so schnell zur Herausforderung. Bereits zwischen 30 und 40 Jahren beginnt unser Hörvermögen langsam abzunehmen.
Woran das liegt? Wenn wir altern, nehmen wir Laute zunehmend anders wahr. Dies liegt zum einen an der nachlassenden Leistungsfähigkeit unseres Gehörs und zum anderen an der reduzierten Informationsweitergabe über die Nervenbahnen an unser Gehirn. So schleichen sich mit zunehmendem Alter immer mehr Fehlinterpretationen ein. Das lässt sich in etwa mit dem Spiel „Stille Post“ (auch bekannt als Flüsterpost) vergleichen, bei dem reihum ein kurzer Satz in das Ohr des Nebenmanns geflüstert wird, bis zuletzt ein Satz mit einer ganz anderen Bedeutung herauskommt.2
Wie Musik unserem Gehirn Beine macht
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Musik – insbesondere das aktive Musizieren und Singen – unser Nervensystem enorm stimuliert und dafür sorgt, dass sich Nervenzellen neu verschalten und sich verschiedene Gehirnareale besser vernetzen können.3 Aus diesem Grund können sich Musiker beispielsweise besser konzentrieren, lernen leichter Fremdsprachen und haben ein besseres Wortgedächtnis.4 Ausserdem sind sie im Alter weniger auf Hörgeräte angewiesen und haben weniger Probleme, Sprache in lauten Umgebungen zu verstehen.5 Dieses Wissen wollen Wissenschaftler nun nutzen, um die Gehirnleistung von Menschen mit altersbedingtem Hörverlust gezielt zu schulen und ihr Hörvermögen zu verbessern.Singen für eine bessere Hörleistung
Ein tolles Forschungsprojekt der Ryerson University mit Menschen über 50 Jahren mit einem milden Hörverlust zeigt, dass Singen im Chor nicht nur Freude bereitet, sondern die Hörleistung tatsächlich verbessern kann. Dies gilt auch für Menschen, die keine jahrelange Musikerkarriere hinter sich haben. Schon ein zehnwöchiges Musikprogramm mit regelmässigen Chorproben und zusätzlichen Online Trainings verbessert die Leistung des Gehirns so weit, dass eine signifikante Steigerung des Sprachverstehens, der Unterscheidung unterschiedlicher Tonhöhen, der Aufmerksamkeit sowie der neuronalen Reizverarbeitung festgestellt wurde.2Darüber hinaus wirkt sich Singen beispielsweise auch positiv bei Demenz aus6 und scheint sogar einen lebensverlängernden Einfluss zu haben.7 Wissenschaftler hoffen die Lebensqualität älterer Menschen mit diesen Erkenntnissen weltweit zu erhöhen. Aus diesem Grund wäre es gar nicht so überraschend, wenn irgendwann einmal Chorbesuche vom Arzt verschrieben werden.
Also, nur keine Hemmungen und einfach losträllern! Denn zum Glück ist es für unser Gesundheit und unser Gehör nicht entscheidend, ob wir die Töne auch wirklich treffen.
Weitere Informationen
Seniors Improving Neurocognitive Goals through Song (SINGS): Teaching your brain to hear better while learning how to singRyerson advances to National 3MT® - 3-Minute Speech of Ella Dubinsky about “Singing for Your Brain”
Fussnoten
1 https://www.welt.de/wissenschaft/article1461487/Warum-Singen-gesund-ist.html2 http://ryersonsmartlab.blogspot.de/2016/03/seniors-improving-neurocognitive.html
3 https://www.dasgehirn.info/entdecken/grosse-fragen-1/Musik-bringt-Bewegung-ins-Gehirn-auch-an-unerwarteten-Ecken-2521
4 https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article153754027/Warum-Musik-unserem-Gehirn-so-guttut.html
5 http://www.brainvolts.northwestern.edu/documents/KrausWhiteSchwoch_AcoustAussie2014.pdf
6 http://www.netdoktor.de/news/singen-verbessert-das-gedaechtnis/
7 https://www.welt.de/wissenschaft/article1461487/Warum-Singen-gesund-ist.html