Home > Blog > Urbaner Lärm
Wissen

Urbaner Lärm

31. März 2016
Das geschäftige Summen der Grossstadt ist in den letzten Jahren vielerorts zu einem ohrenbetäubenden Tosen angeschwollen. Eine wahre Flut von Geräuschen bricht in den Metropolen dieser Welt tagtäglich über die Bewohner herein, mit weitreichenden Folgen für die öffentliche Gesundheit.
Immer mehr Menschen zieht es in die grössten Städte der Welt, die für sie Sehnsuchtsort, Alptraum und Mythos zugleich sind. Im Jahr 2050, so die Prognose der UN, werden zwei von drei Erdbewohnern in Städten leben. Aktuell sind es knapp 50 Prozent. In dem Masse, wie die Metropolen wachsen, werden nicht nur wichtige Lebensgrundlagen wie sauberes Wasser und frische Luft knapper. Auch Stille entwickelt sich zunehmend zu einem Luxusgut, das nur noch wenigen Privilegierten vorbehalten ist. Autokolonnen, Hubschrauber, Busse, Züge, Baustellen – sie alle verursachen ein Ausmass an Lärm, das zur Gefahr für unsere Gesundheit wird. Forschungsergebnisse konstatiert einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dieser Lärmexposition und dem Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen, kognitiven Beeinträchtigungen, Schlafstörungen, Stress und Hörproblemen.  

Die folgenden Schnappschüsse von Lärm-Hotspots verschiedener Metropolen rund um den Erdball offenbaren, wie dringend der Handlungsbedarf ist*:

New York City, USA

Die Stadt, die niemals schläft, verzauberte ihre Bewohner lange Zeit mit einer aufregenden Mischung aus verschiedensten visuellen Eindrücken, Gerüchen und Geräuschen – der Lärm wurde hingenommen als Preis, den man für ein Leben in der Grossstadt eben zu zahlen hatte. Mittlerweile hat er jedoch ein Niveau erreicht, das für viele New Yorker nicht mehr tolerierbar ist. Die häufigste Kritik von Restaurantbesuchern bezog sich auf den Lärm, ebenso wie die meisten Beschwerden bei der städtischen Informationshotline 311, die von 2012 auf 2013 einen diesbezüglichen Anstieg um 16% verzeichnete. Auch die New Yorker Architektur trägt nicht zur Geräuschdämmung bei: Endlose Wände aus Stahl und Glas verstärken das Echo und somit den tagtäglichen Hintergrundlärm der Stadt, der ein ernstes Gesundheitsrisiko für alle New Yorker darstellt.

São Paulo, Brasilien

Die Lärmbelastung in São Paulo hängt mit der Armut zusammen und wird durch Engpässe im Verkehr verursacht. Auf der einen Seite wächst der Anteil der ärmsten Bevölkerungsschichten, ihre Lebensbedingungen verschlechtern sich und die Strecken, die sie täglich zurücklegen müssen, werden immer länger. Auf der anderen Seite versuchen die wenigen Privilegierten, die es sich leisten können, das Verkehrschaos zu umgehen, indem sie mit dem Hubschrauber fliegen. Dieser Trend hatte in kürzester Zeit verheerende Auswirkungen auf die Geräuschkulisse und schuf ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die breite Bevölkerung. São Paulo ist die Stadt mit den meisten Hubschraubern auf der ganzen Welt, vor New York und Tokyo, die den zweiten und dritten Rang belegen. Das öffentliche Verkehrsnetz der Stadt ist hingegen mit rund 300 Kilometern Metro- und Bahnlinien nur knapp halb so gross wie die Netze von London, Berlin oder New York. Doch das soll sich nun ändern. Bis 2030, so das Versprechen der Stadtverwaltung von São Paulo an ihre Bürger, soll ein umweltfreundliches und geräuscharmes Zug-, Bus- und Metronetz eingerichtet werden, um die Strassen zu entlasten und den Pendlern das Leben zu erleichtern.

Tokio, Japan

Das Land der Stille ist gleichzeitig auch das Land der Lautsprecherdurchsagen. In der japanischen Hauptstadt Tokio sind Tag für Tag mehr als 40 Millionen Bürger mit Bahn und Metro unterwegs. Koordiniert wird die Bewegung dieser unglaublichen Massen mithilfe von Lautsprecherdurchsagen, die durchschnittlich alle zwei Minuten an den Bahnsteigen und in den Zügen ertönen. 
„Bitte warten Sie hinter der gestrichelten Linie“, fordert eine weibliche Stimme auf, während auf dem Bahnsteig nebenan zur besseren Unterscheidbarkeit eine Männerstimme informiert: „Die Türen schliessen. Sich in letzter Sekunde hineinzudrängen, ist gefährlich. Bitte sehen Sie davon ab.“ In der Vergangenheit ertönte zwischen den einzelnen Durchsagen ein Pfeifgeräusch, das mittlerweile durch andere, weniger unangenehme Geräusche ersetzt wurde. Verständlicherweise sorgt dieses akustische Bombardement dafür, dass die Pendler sich mit Kopfhörern und Ohrenstöpseln von ihrer Umwelt abschotten. 
*Sämtliche Messungen wurden entweder mit kalibrierten Schallpegelmessern oder mit der kalibrierbaren App „Decibel 10th“ vorgenommen. Bei der aufgeführten Zahl handelt es sich um Maximalmessungen, die durchschnittlichen Messwerte lagen tiefer.